Einen aktuellen Überblick über die Inhalte der Wirtschaftsinformatik liefert die Themenlandkarte, die im Jahr 2019 von einer Arbeitsgruppe (Leitung Prof. Bichler, TU München) erarbeitet und vom Leitungsgremium der WI sowie der Gremien WKWI und FB WI (siehe Wissenswertes) einstimmig verabschiedet wurde.
Die Themenlandkarte beruht auf dem im Jahr 2011 formulierten Profil der Wirtschaftsinformatik im deutschsprachigen Raum (Dokument zum Download), das von einer Arbeitsgruppe (Leitung Prof. Schoder, Universität zu Köln) erarbeitet und ebenfalls von den Gremien WKWI und FB WI einstimmig beschlossen wurde.
Gegenstand der Wirtschaftsinformatik sind Informationssysteme (IS) in Wirtschaft, Verwaltung und privatem Bereich. IS sind soziotechnische Systeme, die menschliche und maschinelle Komponenten (Teilsysteme) umfassen. Sie unterstützen die Sammlung, Strukturierung, Verarbeitung, Bereitstellung, Kommunikation und Nutzung von Daten, Informationen und Wissen sowie deren Transformation. IS tragen zur Entscheidungsfindung, Koordination, Steuerung und Kontrolle von Wertschöpfungsprozessen sowie deren Automatisierung, Integration und Virtualisierung unter insbesondere ökonomischen Kriterien bei. IS können Produkt-, Prozess- und Geschäftsmodellinnovationen bewirken.
Ziele der Wissenschaftsdisziplin Wirtschaftsinformatik sind
(a) die (Weiter-) Entwicklung von Theorien, Methoden und Werkzeugen zur Gewinnung intersubjektiv überprüfbarer Erkenntnisse über IS,
(b) die gestaltungsorientierte Konstruktion von IS sowie die dafür notwendige (Weiter-) Entwicklung von Konzepten, Vorgehensweisen, Modellen, Methoden, Werkzeugen und (Modellierungs-) Sprachen,
(c) die Erzielung eines realwissenschaftlichen Verständnisses von Einsatz, Akzeptanz, Management und Beherrschbarkeit von IS sowie von ihren jeweiligen Systemelementen, etwa im Hinblick auf das Verhalten von Menschen in und mit diesen Systemen als Aufgabenträger oder Anwender,
(d) die primär wirtschaftswissenschaftlich fundierte Bewertung von Risiko-, Nutzen-, und Wirtschaftlichkeitsdimensionen bei Gestaltung und Einsatz von IS, der durch sie veränderten Wertschöpfungsprozesse sowie der damit verbundenen strategischen und organisatorischen Auswirkungen auf Individuen, Gruppen, Unternehmen, Branchen und Wirtschaftsräume, und
(e) die Prognose technischer und nichttechnischer Entwicklungen und Auswirkungen des Einsatzes von IS.
Die Wirtschaftsinformatik ist eine eigenständige, interdisziplinäre Wissenschaft. Sie hat ihre Wurzeln in der Informatik und den Wirtschaftswissenschaften, insbesondere der Betriebswirtschaftslehre. Die Wirtschaftsinformatik lässt sich als Realwissenschaft klassifizieren, da Phänomene der Wirklichkeit untersucht werden. Sie trägt dabei insbesondere Wesenszüge einer Ingenieurswissenschaft, da die Gestaltung von Informationssystemen eine Konstruktionssystematik verlangt. Ebenso hat die Wirtschaftsinformatik Bezüge zu den Verhaltenswissenschaften, da diese Theorien und Methoden zur Analyse der sozialen Wirklichkeit bereitstellen. Die Wirtschaftsinformatik beinhaltet auch Elemente einer Formalwissenschaft, da die Analyse und Gestaltung von Informationssystemen der Entwicklung und Anwendung formaler Beschreibungsverfahren bedürfen. Die Wirtschaftsinformatik wird nicht von einer einzelnen Theorie, Methode oder Perspektive dominiert. Eine enge Verzahnung mit der Praxis, zum Zwecke der Gewinnung und Validierung von Erkenntnissen, ist dabei wünschenswert und notwendig.
In nahezu allen denkbaren ökonomischen, politischen und sozialen Zusammenhängen spielen Informationssysteme eine unverzichtbare Rolle. Angesichts zunehmender Ubiquität von IT und der damit einhergehenden Informatisierung unserer Lebens- und Arbeitswelt sowie der zunehmenden Vernetzung von Menschen, Diensten und Dingen, weitet sich das Aufgabenspektrum der Wirtschaftsinformatik aus und wächst ihre Bedeutung für innovative Lösungsbeiträge zur weiteren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung. Die Auseinandersetzung mit der geeigneten Gestaltung und dem Einsatz von Informationssystemen in wirtschaftlich und gesellschaftlich bedeutenden Kontexten – wie etwa Ressourcenbewirtschaftung, Energie, Sicherheit, Gesundheit und Versorgung, Verkehr, Umwelt, Produktion, Finanzwesen, Bildung, Medien, Kommunikations-Infrastrukturen, Vernetzung – definiert Relevanz und Anspruch wirtschaftsinformatorischer Forschung und Lehre sowie des Transfers in die Praxis.